Die Schachuhr zeigt nur noch einige Sekunden. Schnell wird der Springer gezogen. Prompt die Reaktion: Schach! Nur noch wenige Züge bis zum Matt. Eine normale Schachpartie an einem üblichen Trainingsabend? Nicht ganz. Die beiden Kornwestheimer Schachspieler sitzen sich nicht wie gewohnt in den Räumen des Haus der Musik gegenüber, sondern sind jeweils zu Hause vor dem Computerbildschirm. Die Partie findet online statt.

Wie so viele andere Bereiche, haben die Einschränkungen durch Corona auch den Vereinsalltag der Schachfreunde Kornwestheim stark verändert. Anders als viele andere Aktivitäten kann man Schach allerdings auch online ausüben. Und so haben die Kornwestheimer Schachspieler schnell reagiert, als das Vereinsleben unterbrochen wurde. Sofort wurden im Jugendbereich Online-Turniere gestartet, die einen Ersatz für das gemeinsame Spielen vor Ort bieten sollten. Diese Turniere finden seither durchgehend zweimal die Woche statt. Insgesamt wurden so in den letzten Wochen bereits 102.645 Züge in 1818 Partien online gespielt. Rund 40 Spieler waren bereits aktiv.

Online-Angebote haben in der Schachwelt auch vor der Coronazeit bereits eine große Rolle gespielt. Es gibt zahlreiche, unterschiedliche Angebote zum Spielen, Lernen und Zuschauen. In der Vergangenheit war es die Ergänzung zum „Schach am Schachbrett“. Nun ist es die Hauptattraktion. Die Nutzerzahlen auf den verschiedenen Plattformen sind seit Beginn der Corona-Pandemie nochmals deutlich in die Höhe geschnellt und brachten die Server teilweise an die Grenze der Belastbarkeit. Trotzdem, die Server laufen stabil und das Schachgeschehen findet online statt. Bei den Schachfreunden wurde neben dem Spielen, auch für den Trainingsbetrieb ein Online-Ersatz aufgebaut. Im Normalfall bekommen jede Woche nämlich ca. 60 Kinder und Jugendliche Schachunterricht von den Kornwestheimer Schachtrainerinnen und -trainern. Per Videochat findet das Training nun weiterhin im Einzelunterricht oder Kleingruppen am Bildschirm statt. Die Resonanz ist gut. Auch von wenn sich sowohl Schüler wie auch Trainer an das neue Format gewöhnen müssen. Und nicht für jeden ist das Online-Training das Richtige. Es ist eben doch ganz sicher nicht dasselbe als sich wirklich zu treffen.

Die Online-Aktivitäten bieten aber auch neue Möglichkeiten. Ihre Reichweite z.B. ist nicht auf die Kornwestheimer Region beschränkt ist. So konnte sich sogar ein in Australien lebendes Vereinsmitglied mit einschalten und war beispielsweise beim ersten bezirksweiten Online-Teamwettbewerb gemeinsam mit den Schachkollegen aus der Heimat am Start. Das Team der Schachfreunde konnte sich dabei sogar ganz oben in der Tabelle platzieren. Diese Wettbewerbe bieten einen kleinen Ersatz für die zahlreichen abgesagten Schachwettkämpfe. Im Vordergrund steht aber hier weniger der Konkurrenzgedanke als der Spaß am gemeinsamen Spiel. Auch vom Deutschen Schachbund und besonders der Deutschen Schachjugend gibt es zahlreiche Angebote jede Woche. Eines davon ist das Vergleichsturnier der Landesschachjugenden, das sich zu einer regelmäßigen zweiwöchentlichen Veranstaltung entwickelt. Bei den bisherigen Austragungen gingen auch Kornwestheimer Jugendliche für die Württembergische Schachjugend auf Punktejagd und maßen sich mit über 600 Teilnehmern aus ganz Deutschland.

Daneben gab es auch „offizielle“ Turniere vom Deutschen Schachbund. Bei der Deutschen Internet-Meisterschaft wird um einen Deutschen Meistertitel gespielt. Nach den Qualifikationsturnieren ergab sich ein hochkarätiges Teilnehmerfeld für das Finale, welches noch aussteht. Bei der Deutschen Internet-Schach-Amateurmeisterschaft wurde ein ähnliches Turnier begrenzt nach Wertungszahl gespielt. So hatte jeder Vereinsspieler die Chance sich mit Spielern einer ähnlichen Spielstärke zu messen. In der höchsten der drei Wertungsgruppen trat auch Julian Maisch aus Kornwestheim unter knapp 200 Spielern an, verpasste die Qualifikation für das Finalturnier aber knapp. Nach dem Finale zeigte sich aber auch das wahrscheinlich größte Problem mit dem wettkampforientierten Online-Schach: die beiden ursprünglich Erstplatzierten mussten disqualifiziert werden. Eine Auswertung des Ausrichters zeigte an, dass ein Schach-Computerprogramm als unerlaubtes Hilfsmittel eingesetzt wurde. Denn der Computer ist nicht nur ein wichtiges Hilfsmittel im Spiel- und Trainingsbetrieb, sondern die Spielstärke von heutigen Schachprogrammen übersteigt auch die von menschlichen Spielern. Das ist sehr wichtig zur Analyse der eigenen Fehler nach Ende der Partien, aber während des Spiels, ist die Computerunterstützung natürlich verboten. Zu Hause, wenn man sowieso schon am Computer spielt, ist die Hürde zum Betrug potenziell niedriger. Dennoch, die große Mehrheit der Schachspieler spielt auch online fair.

Auch auf großer Bühne gab es bereits die ersten neu entworfenen Online-Turniere. Nach Einladung von Weltmeister Magnus Carlsen wurde zuletzt das erste Onlineturnier der Weltklasse gespielt. Der Preisfond: 200.000 Dollar. Zwei Wochen spielten die acht Großmeister dabei aus dem eigenen Wohnzimmer am digitalen statt am Holzschachbrett. Die mitlaufenden Webcams übertrugen die Gesichtsausdrücke der Spieler. Eine gelungene Initiative mit neuen Erfahrungen für die Großmeister und auch die Zuschauer aus der ganzen Welt. Etwas änderte sich aber auch online nicht: am Ende setzte sich wie so oft am Holzschachbrett auch online der Weltmeister selbst durch und konnte sich zum Sieger küren.

Durch die vielfältigen Onlinemöglichkeiten gelingt es im Schach vergleichsweise gut ein Ersatzangebot aufzubauen. Auch die Schachfreunde Kornwestheim können dadurch weiterhin Jugendtraining anbieten und miteinander spielen. Trotzdem freuen sich alle darauf, wenn die besten Züge wieder gemeinsam auf einem Holzschachbrett ausgeführt werden können.