Sehr gute Punkteausbeute in malerischer Kulisse am Tegernsee für drei Kornwestheimer Aktive

6. November 2017
von Dieter Bauer

Bereits 20 Jahre fand die offene internationale bayerische Meisterschaft in Bad Wiessee am glitzernden Tegernsee inmitten einer sanften Berglandschaft in der denkmalgeschützten Wandelhalle statt. Sein Prädikat als Heilbad verdankt dieser Ort den deutschlandweit stärksten Jod-Schwefel-Heilquellen. Nachdem in dem früheren Areal unter anderem ein Regenerationszentrum entstehen soll, fand das Turnier erstmals in Gmund am Tegernsee statt. Dem Ruf folgten knapp 500 Teilnehmer aus 35 Nationen. In der Startrangliste waren zwischen der Nr. 270 und 280 immer noch Titelträger zu finden; derartige unfassbare Qualität ist ansonsten nur noch bei den weltberühmten Open in Gibraltar bzw. der Isle of man anzutreffen! Es war sehr erfreulich, dass von unserem Verein immerhin drei Aktive (Marc, Danny und Dieter) sich ins Meer von Varianten stürzten. Danny Yi sah sich 4 “wandelnden Schachenzyklopädien” -gemeinhin als Titelträger benannt- gegenüber und Marc drei, während Dieter sich auf zahlreiche Spieler zwischen ELO 2000 und 2100 freuen durfte.

Runde 1:

Bauer - Wolf, Pablo (1940) SC 1868 Bamberg 0:1

Heinke, Dieter (1780 aus München) - Schallner 1/2

FM Wacker, Peter (2323) aus Köln - Yi 1/2

Marc musste sich mit 2.Lf4 herumschlagen. Das Londoner System wurde noch im letzten Jahrzehnt als “Rentnereröffnung” verpönt. Seit es der fast 27-jährige aktuelle Weltmeister Magnus Carlsen in die Turnierareale eingeführt hat, spielt diese blutleere Eröffnung plötzlich die “halbe Welt”. Marc antwortete mit Lf5 und als dann noch das völlig ambitionslose (oder gar ängstliche) Ld3 kam, fragte ich mich, weshalb ein Münchner (!) nicht mit der Einstellung “mia san mia” und mit breiter Brust ans Brett ging. Oder ist er gar nicht der Schachabteilung des FC Bayern zugehörig? Dann kann man den Zug Ld3 vielleicht eher verstehen….. (in der Anmeldeliste stand nur “München”).

Danny hatte es mit der selten gespielten Spanisch-Abtauschvariante zu tun.

Von Pablo Wolf war Dieter nur bekannt, dass er D-Kader-Mitglied des bayrischen Schachverbandes ist und die Schach-Institution GM Helmut Pfleger (aktuell ELO 2477, allerdings als inaktiv geführt) im Rahmen einer Simultantournee für terre des hommes (Details zu diesem Begriff siehe gesonderten Bericht auf unserer Webseite) geschlagen hat. Es wurde Dieters wohl beste Partie des ganzen Turniers. Er verlor sehr unglücklich tief in der 4. Stunde, da ein mögliches Turmopfer kurz vor der ersten Zeitkontrolle übersehen wurde. Zu GM Pfleger sei in diesem Zusammenhang auf das youtube-Schachvideo “Schachseminar mit GM Pfleger in Starnberg” hingewiesen. Einfach nur köstlich…….

Runde 2:

  1. Schallner - Gisbert, Wolfram (1789) 1:0
  2. Yi - Internationaler Meister Xu (2439) aus Shanghai : 1/2
  3. Gut, Vincent (ohne ELO) vom TV Tegernsee - Bauer 0:1

zu b) kommt italienisch (hier Giuco piano) aufs Brett, eine der ruhigsten Eröffnungen überhaupt! Diese Variante wird Danny noch bis zur 5.Runde verfolgen, abwechselnd mit weiß und schwarz. Naturgemäß kam die Brisanz dann erst in der späten Partiephase und Danny erreichte ein Damenendspiel mit teilweise zwei Mehrbauern! Was für eine großartige Leistung gegen einen IM.

zu c) Hierzu muss man wissen, dass der Mitorganisator Herr Leckner deutschlandweit ein einzigartiges Projekt aufgebaut hat. Diverse Internationale Meister und sogar ein Großmeister geben bereits in der Grundschule regelmäßigen Schachunterricht. Der internationale Meister Roman Vidonjak wurde von der FIDE mit der höchsten Trainerauszeichnung im Schach beglückt, weil er Tegernseer Kinder z.B. auch bei der Schach-Amateur-Weltmeisterschaft auf der Insel Rhodos/Griechenland phantastisch schachlich weitergebildet hat. Die Abteilung Schach des Turnvereins Tegernsee war/ist die mit Abstand erfolgreichste Sparte aller Sportarten! Viele Jahre waren Halbgötter im Trainingsanzug bzw. im Anzug für Tegernsee in der Schachbundesliga im Einsatz. Mir war klar, dass ich letztlich gegen die großmeisterlichen Varianten anzukämpfen hatte, welche dem jungen Vincent “eingetrichtert” wurden. Weiterhin wusste ich, dass ALLE Tegernseer Kinder ein streng einzuhaltendes Verbot auferlegt bekamen, Remis anzubieten (klarer Hintergrund: nur wer auch das Endspiel bis zum Ende der 5.Stunde durchspielt, wird sich stetig und rasch weiterentwickeln). Es war ein deutlicher Unterschied zu Mannschaftskämpfen zu spüren, wo es doch immer mal wieder “aus mannschaftstaktischen Gründen” zu einem jähen Partieabbruch kommt. In Gmund wurde bis zum letzten Blutstropfen gekämpft! Als ich Vincent als meinen Gegner in der Auslosung feststellte, erschrak ich kurz: es wird sich doch wohl nicht um den Deizisauer Vincent Keymer handeln?! Keymer wird übernächste Woche 13 Jahre alt und gilt als das größte deutsche Talent seit dem deutschen Spieler Emanuel Lasker, der 27 Jahre lang Schachweltmeister war. Auch Kasparov traut ihm den Sprung in die absolute Weltspitze zu, zumal er von Großmeister Jussupow trainiert wird. Er hat schon einige GM-Skalps an seinem Gürtel hängen!

Runde 3:

Schmidberger (1773) - Yi 1/2

GM (!!) Postny (2569) aus unserem Bezirk, nämlich Schwäbisch-Hall (!) - Schallner 1:0

Bauer - Poschmann, Tino (2039, jedoch offenbar auf absteigendem Ast, ursprünglich ca. 2200!) vom SC 1911 Großröhrsdorf : 0:1

Runde 4:

  1. Yi - Heyartz, Wolfgang (1837 von Ebersberg-Grafing) : 1:0
  2. Bauer - Bous, Florian (2008 von Zürich-Wollishofen) 0:1
  3. Schallner - FM Sieglen, Joachim (2232) 1/2

zu a) mal wieder Giuco piano, siehe oben

zu b) mein Gegner spielt in der Schweiz und in Deutschland. Er hatte in der schweizerischen ersten (!) Bundesliga vor einigen Jahren einen Score von 100 % geholt und ist auch dieses Jahr dort wieder gemeldet. Die Nachbearbeitung dieser Partie dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen, so dass noch keine konkreten Aussagen zu dieser brutal spannenden Begegnung gemacht werden können.

zu c) französische Abtauschvariante mit wenig Spannungspotential kam aufs Brett. Somit folgerichtig immer im Ausgleichsbereich.

Runde 5:

der Höhepunkt: GM (!) Michael Hoffmann (2462 Spitzname “der Drehbesen”) 2014 gewechselt von Solingen zum Bundesligisten DJK Aufwärts St. Josef Aachen gegen Danny Yi !! Nach einer ca. 20-zügigen theoretischen Diskussion in der Hauptvariante des Grünfeldinders später 1:0

Kaiser, Elmar (1998, Tauberbischofsheim) - Schallner 0:1 in einem Spanier mit Sa5 ebenfalls unendlich langes Theorieduell

Pollmann, Sascha (2098 SV Werder Bremen) - Bauer unfassbar! nach 1 aus 4 bekomme ich ELO 2100. Super für den Gegnerschnitt, aber ohne Worte

Runde 6:

Schallner - Walter, Thomas (2129) 1:0

Yi - Engelhardt, Etienne (1951) 1:0

Bauer - Cheredzhiyska (1410, TV Tegernsee, siehe oben) 1:0

Die Partie von Marc entwickelt sich recht dubios: die sehr schöne Idee 13.Sc7 mit Schach gewinnt durch Freilegung der Damendiagonale die Qualität auf a8. Es ist null Kompensation für schwarz ersichtlich. So hat es offensichtlich auch Marc in der Partie bewertet (sicherlich zurecht). Die Computerbewertung - besser für schwarz - (!??) erscheint mir völlig unverständlich, zumal keinerlei Taktik erkennbar ist.

Runde 7:

FM Szabo aus Ungarn (2217) - Schallner 1:0 Vierspringerspiel mit SOS-Variante 4. a3 !?

Hofmann, Lorenz (1775) - Yi 0:1

Siebold, Hans-Jörg (1860, Sölln bei München ) Bauer 1/2 Dieter quält seinen Gegner in einem Endspiel Läufer gegen Springer und mit Mehrbauern ca. 30 Züge lang, um am Ende des Tages festzustellen, dass es offenbar nicht zu gewinnen ist.

Runde 8 + 9:

Schallner - Wiele, Thomas (2095) 1:0 Krause (2139) - Schallner 1:0

Yi - FM Zill, Christoph (2180 SK Freising) 1/2 Möldner, Jürgen (2195) - Yi 1:0

De Luna Butz (1819) - Bauer 1:0

Dieter hat die 9.Runde nicht mehr gespielt, da für den letzten Tag am Nachmittag/Abend Starkregen und in höhergelegenen Regionen (und dazu zählt wohl auch Gmund) sogar Schnee angekündigt wurde. Daher wurde entschieden, noch rechtzeitig vor den Wetterkapriolen heimzufahren. Das Los bescherte ihm Robert Manakov und dieser Nachname ist in unserem Verein durchaus bekannt. Geht man nur von den Zahlen aus (was zugegeben etwas “gefährlich” ist) wäre ein Sieg von Dieter recht. wahrscheinlich gewesen. Dann wäre ungefähr der Setzlistenplatz erreicht worden. Danny erreichte einen um 27 Plätze besseren Rang, Marc verbesserte sich um unglaubliche 130 Plätze!

Gesamtsieger wurde der Ägypter GM Adly Ahmed mit 7,5 Punkten aus 9 Runden.

Die erwachsenen Schachspieler trafen sich meist in der “Bodega” in Bad Wiessee oder im Hotel zur Post zum Tagesausklang in lockerer Runde. Auch mit den “Lubbes”, die stets für die Verbreitung unseres geliebten Hobbys sorgen, gab es viel Spaß. Ja genau, das sind die beiden, die vor unzähligen Zuschauern auf einer berühmten Schachplattform um ihren Ehenamen geblitzt haben…..

Man kann das Turnier am Tegernsee jedenfalls beruhigt weiterempfehlen!